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Bauernverband – Institution der Tierindustrie

Die deutsche Tierindustrie ist angesichts der Klimakrise eine akute Bedrohung. Sie verursacht Leid für Milliarden Tiere und beutet systematisch Menschen aus. Doch was hat das mit dem Bauernverband zu tun? Wie sich herausstellt: ziemlich viel. Was der Bauernverband ist – und warum er gestoppt werden muss, wenn wir die Klimakrise aufhalten möchten.

Am Dienstag sind wir das erste Mal gegen den Deutschen Bauernverband vorgegangen. Zusammen mit anderen Aktionsgruppen haben wir den Haupteingang sowie das Vordach besetzt. Vor dem Eingang waren mehrere Menschen an einen Kastenstand angekettet sowie weitere an den Eingang geklebt. Und die Aktion war ein großer Erfolg, denn wir haben den Bauernverband endlich ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt.

Doch einen Augenblick mal… was hat der denn mit der Klimakrise zu tun? Ist die Landwirtschaft nicht am stärksten von Dürren und Starkregen betroffen? Und haben wir etwas gegen Bauern?

Nein. Wo sich der Deutsche Bauernverband eigentlich für die Interessen von Arbeiter:innen einsetzen sollte, ist er zu einer Schaltzentrale der Tierindustrie verkommen. Er ist eine wichtige Organisation großer Konzerne, die nur wenig mit einer gerechten Landwirtschaft am Hut hat. Und gerade deswegen ist seine Bedeutung in der Klimakrise nicht zu leugnen.

Der Bauernverband

Der Deutsche Bauernverband (DBV) sitzt in Berlin und stellt sich als Vertretung aller landwirtschaftlichen Betriebe und Arbeiter:innen in Deutschland dar. Diese kommen aus den verschiedensten Bereichen der Landwirtschaft – im Verband gibt es größere und kleine Betriebe, die sowohl ökologisch als auch konventionell arbeiten.[1][2]

Gegründet wurde der DBV 1948 in Westdeutschland als eine vereinte Organisation, welche die Interessen der Landwirt:innen und Bauernhöfe können sollte. Der Verband setzt sich dabei aus vielen einzelnen Landesverbänden (LBV) zusammen. Die Mitglieder sind in der Regel über einen solchen LBV organisiert, während der bundesweite Verband vor allem politische Aufgaben übernimmt.[2]

Auf seiner Website schreibt der Bauernverband, dass im Durchschnitt mehr als 90 % der ca. 260.000 Landwirt:innen in Deutschland über einen der Landesverbände organisiert sind.[1] Damit ist tatsächlich ein sehr großer Teil der Landwirtschaft an ihn gebunden. Eine Mitgliedschaft ist keinesfalls verpflichtend und somit würden viele davon ausgehen, dass sie auch ganz hinter ihm stehen würden.

Im DBV sind vor allem der Präsident, das Präsidium sowie der Vorstand die entscheidenden Stellen. Eine zentrale Figur ist dabei Joachim Rukwied, welcher 2012 zum Präsidenten gewählt wurde und seitdem den Bauernverband leitet. Zwischen 2017 und 2020 war er zusätzlich Präsident des Europäischen Bauernverbandes COPA. An diesem ist der Bauernverband ebenfalls beteiligt.[1][3]

Das ist alles zunächst verständlich, denn auch Höfe und Arbeiter:innen haben selbstverständlich ein Interesse daran, an politischen Entscheidungen mitzuwirken sowie ihre Bedürfnisse zu äußern. Wieso ändert sich trotz immer größerer Probleme in der Landwirtschaft nichts? Für welche Gruppen setzt sich der Bauernverband wirklich ein?

Blutige Geschäfte

Sicherlich nicht für die mehr als 750 Millionen Tiere, welche jedes Jahr in Deutschland in der Tierindustrie verenden.[15] Die Tierindustrie ist eng mit der Landwirtschaft verwachsen und von der Lebensmittelproduktion nicht trennbar. Neben dem unermesslichen Leid ist diese Masse an zu ernährenden, Landfläche und Wasser verbrauchenden Lebewesen außerdem ein entscheidender Faktor in der Klimakrise.[7][8][9] Ebenso wenig wird er sich um osteuropäische Saisonarbeiter:innen oder die Arbeiter:innen in den Schlachthöfen kümmern. Letztere werden auch ausgebeutet und sind teilweise auch Opfer der Tierindustrie.[6][7]

Dass der Bauernverband in seiner aktuellen Form genau dieses System verfestigt, lässt sich nicht nur daran gut sehen, welche Art der Landwirtschaft er verfolgt.[2][3][4][5] Anstatt die wissenschaftlichen Tatsachen und unsere aktuelle Lage zu erkennen, beschützt er die Tierindustrie vor jeglichen Veränderungen und möglichen Verlusten – letztendlich zum Leidwesen der Tiere.

Da wäre etwa die Tatsache, dass die Tierindustrie selber einen wesentlichen Teil des Verbands ausmacht. Gruppen wie der Bundesverband der Kälbermäster, der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft, die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tierzüchter oder auch der Milchindustrie-Verband gehören zu den assoziierten Mitgliedern[1] und haben einen Einfluss auf die Aktivitäten des kompletten Verbands.[1][3]

Das resultierende Auftreten nimmt zum Teil peinliche Ausmaße an: als der Autokonzern VW vor einigen Jahren versucht hat, in den eigenen (!) Kantinen für eine pflanzenbasierte und gesündere Ernährung zu werben, hat der niedersächsische LBV versucht, den Konzern öffentlich zu diffamieren. Der Landvolkpräsident sprach davon, dass „Landwirte sich doppelt diskriminiert fühlen“ müssten.[16]

Ein aktuelleres Beispiel: im vergangenen Jahr wurden Änderungen an der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung eingebracht, welche später vom Bundesrat durchgesetzt werden sollten. Der Bauernverband hat die Vorschläge entschieden abgelehnt:

„Vor allem die Anträge zur Sauenhaltung, darunter die Verkürzung der Übergangsfrist für Kastenstände auf 5 Jahre, die Anforderung „ungehindertes Ausstrecken der Gliedmaßen ohne Kontakt zu anderen Tieren“ und die Einbeziehung bestehender Abferkelställe in die Regelung, hätten eine fatale [sic] Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit…“ [18]

Wenn sogar schon marginale Reformen vom Bauernverband abgelehnt werden, wieso sollte er sich jemals für einen umfassenden Umbau der Landwirtschaft stark machen? Das Verhältnis des DBV zur Tierindustrie lässt sich entsprechend in den Worten von Rukwied zusammenfassen:

„Landwirtschaft ohne Tierhaltung… das glaube ich nicht, dass das Zielbild für Deutschland ist…“. [13]

Verdächtige Verstrickungen

Rukwied selber ist umfangreich eingerichtet. Er besitzt mindestens 18 weitere Positionen in Gremien und Vorständen.[3] Darunter befinden sich etwa die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), die BayWa AG, die QS Qualität und Sicherheit GmbH (QS), der SWR oder der Zentralausschuss der Deutschen Landwirtschaft (ZDL). Dort kann er Einfluss ausüben und gegenseitig Interessen durchsetzen.[3][11]

Um das deutlich zu machen: QS ist für die Zertifizierung von Betrieben zuständig, zu denen auch seine gehören. Der ZDL ist für die Abstimmung zwischen einflussreichen Spitzenverbänden tätig. Der SWR sollte bestensfalls auch über die Auswirkungen der Tierindustrie berichten, welche wiederum eine große Rolle im DLG spielt.[3][4]

Unser nächstes Beispiel ist Johannes Röring, Mitglied des Vorstands und Betreiber mehrerer Agrarunternehmen. Er besitzt selber Massentierhaltungsanlagen. Im DBV ist er deswegen Vorsitzender des „Fachausschuss Schweinefleisch“, während er auch noch zum gleichen Thema bei QS, im Bundesmarktverband Vieh und Fleisch und im Bauernverlag aktiv ist. Von Interessenkonflikten ist auszugehen. Er sitzt außerdem im Bundestag für die Fraktion der CDU, welche die aktuelle Landwirtschaft mit zu verantworten hat.[3][5][17]

Der Einfluss vom DBV beschränkt sich aber nicht nur auf die Entwicklungen in Deutschland.[2][3] Über den Europäischen Verband COPA besitzen sowohl der DBV als auch Funktionär:innen wie Joachim Rukwied Mitsprache bei der Gesetzgebung der EU.

Der Verband ist außerdem in Initiativen wie dem Forum Moderne Landwirtschaft tätig.[3][12] Er unterstützt dort die Öffentlichkeitsarbeit, ist offizielles Mitglied des Vereins und überschneidet sich personell mit wichtigen Figuren. Das Forum wird nicht zuletzt von großen Unternehmen sowie Interessenverbänden aus der Tierindustrie gefördert. Dazu gehören zum Beispiel der Bundesverband Rind und Schwein, deuka, AGRAVIS und der Zentralverband der deutschen Geflügelzüchter.

Die verlauteten Absichten könnten scheinheiliger kaum sein, die Rede ist vom „Dialog unserer Branche mit Verbraucherinnen und Verbrauchern, der Politik und den Medien“[12]. Das Forum ist mehr eine Propagandamaschine. Angesichts der vertretenen Gruppen und der Überschneidungen[3][12] ist es aber naheliegend, dass es vielmehr darum geht, den Einfluss von Konzernen zu verteidigen.

So ist es wenig überraschend, dass auch hier der Vorstandsvorsitzende Joachim Rukwied heißt und alternative Gruppen überhaupt nicht vertreten sind.[2][3] Über die katastrophalen Auswirkungen der Tierindustrie für unseren Planeten wird selbstverständlich nicht informiert, stattdessen gibt es kitschige Artikel über scheinheilige „Verbesserungen“ in Schweinemastanlagen.[12] Was an der zerstörerischen Schweinemast „modern“ sein soll, das wird nicht belegt.

Fazit

Zusammengefasst bedeutet das, dass der Bauernverband über verschiedene Wege die Tierindustrie verfestigt. Er hat Einfluss auf die Gesetzgebung, Kontrollstellen, Finanzinstitute, Landwirtschaftskammern und agrarpolitischen Ausschüsse Im Bauernverband sind eine Vielzahl von Interessengruppen aus der Tierindustrie organisiert und es ist naheliegend, dass beide Seiten voneinander profitieren. Dies ist jedoch kaum bekannt, denn der Bauernverband hat selbst die kleinsten Betriebe derart vereinnahmt, dass ihm ein Monopol auf landwirtschaftliche Entscheidungen zugesprochen wird.

Es ist davon auszugehen, dass diese Zusammenhänge die Macht der Tierindustrie nur ansatzweise beleuchten. Die Tierindustrie ist in Deutschland ein sehr einflussreicher Wirtschaftsbereich und übt an vielen Stellen seine große Macht aus, nicht nur über die doch so lächerlich durchschaubar korrupte Führungsriege des DBV.

Fest steht: ein Ausstieg aus der Tierhaltung und der Fischerei ist dringend notwendig – das ist wissenschaftlich belegt. Deshalb brauchen wir eine sozialgerechte Transformation hin zu einem pflanzenbasierten Ernährungssystem. Wenn wir die Tierindustrie – und damit die Klimakrise – stoppen möchten, muss der Bauernverband aufgehalten werden!

Übrigens ist auch Krüsken gut versorgt, bezüglich der Posten und Interessenskonflikten gilt das gleiche. Unterirdisch ist also nur sein Versuch, seine Lobbyverstrickungen zu verstecken. Denn was könnte er denn wohl im DVT getrieben haben?

Quellen

  1. Deutscher Bauernverband e.V.; https://www.bauernverband.de/ (abgerufen 06.08.21)
  2. „Bauernverband“; Bundeszentrale für politische Bildung; https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/handwoerterbuch-politisches-system/201985/bauernverband (abgerufen 05.08.21)
  3. „Verflechtungen und Interessen des Deutschen Bauernverbandes (DBV)“; Naturschutzbund Deutschland e.V. (April 2019); https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/landwirtschaft/agrarpolitik/26321.html
  4. Lobbypedia: Deutscher Bauernverband; https://lobbypedia.de/wiki/Deutscher_Bauernverband (abgerufen 06.08.21)
  5. „Tönnies-Spenden an CDU: Nimmt Fleischkonzern Einfluss auf Politik?“; Andreas Niesmann; RND (2020); https://www.rnd.de/politik/tonnies-spenden-an-cdu-nimmt-fleischkonzern-einfluss-auf-politik-XNBNJEBFTRFE3CDFRFKYOYTNXM.html
  6. „The harrowing psychological toll of slaughterhouse work“; Metro UK (31.12.17); https://metro.co.uk/2017/12/31/how-killing-animals-everyday-leaves-slaughterhouse-workers-traumatised-7175087/
  7. „Factory Farming: Shedding Light on the Highly Secretive Industry“; Sentient Media (2019); https://sentientmedia.org/factory-farming-shedding-light-on-the-highly-secretive-industry/
  8. „Reducing food’s environmental impacts through producers and consumers“; Poore, Nemecek; American Association for the Advancement of Science (2019); https://doi.org/10.1126/science.aaq0216
  9. „Global diets link environmental sustainability and human health“; Tilman, Clark; nature (2014); https://www.nature.com/articles/nature13959
  10. „Emissions impossible: How big meat and dairy are heating up the planet“; GRAIN, IATP (2018); https://grain.org/article/entries/5976-emissions-impossible-how-big-meat-and-dairy-are-heating-up-the-planet
  11. „Das Geheimnis des Bauernpräsidenten“; tagesschau (2021); https://www.tagesschau.de/investigativ/monitor/praesidium-bauernverband-101.html
  12. Forum Moderne Landwirtschaft; https://www.moderne-landwirtschaft.de/ueber-uns/ (abgerufen 06.08.21)
  13. „Lieber Joachim Rukwied:“; YouTube (19.08.20); https://www.youtube.com/watch?v=xMCGpiMfKLw
  14. „5 Fragen an den Präsidenten des dt. Bauernverbandes – Joachim Rukwied“; YouTube (18.05.21); https://www.youtube.com/watch?v=xuMpuyKIg5o
  15. „Meat production: Number of animals slaughtered“; Our World in Data; https://ourworldindata.org/meat-production/ (abgerufen 09.08.21)
  16. „Bauernverband droht VW mit Boykott“; WELT (17.04.15); https://www.welt.de/regionales/niedersachsen/article139675705/Bauernverband-droht-VW-mit-Boykott.html
  17. „Katastrophale Entwicklung am Schweinemarkt“; Deutscher Bauernverband (19.08.21); https://www.bauernverband.de/presse-medien/pressemitteilungen/pressemitteilung/katastrophale-entwicklung-am-schweinemarkt
  18. „Bauernverband zur Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung“; Deutscher Bauernverband (13.02.20); https://www.bauernverband.de/presse-medien/pressemitteilungen/pressemitteilung/bauernverband-zur-tierschutz-nutztierhaltungsverordnung